Still wie das Gras,
wo die Heuschrecke saß,
von Sonne berauscht und vom Sommer gebannt,
sitzen wir am Wegesrand
und können nicht gehen – die Zeit blieb stehen.
Uns ängstigt der Pfad, der den Berg umgarnt,
wie eine bunte Schlange getarnt,
will er uns mit dem Berg erwürgen.
Und wenn uns dieser Pfad nicht schluckt,
wirft er uns hinab in die Schlucht.
Den Pfad hinunter läuft nun ein Mann,
ein Bündel trägt er in seinen Händen,
aus dem man Brotspitzen ragen sehn kann.
„Hallo, wer ist da,“ ruft er uns zu,
dann kommt er und breitet im Gras sein Tuch,
schenkt Wein uns in ein Kuhhorn ein,
wie goldgelb und kalt ist dieser Wein!,
tut es, um uns zu laben,
damit wir nicht Angst vor dem Würgeweg haben,
denn wenn dieser Pfad uns nicht verschluckt,
wirft er uns auch nicht hinab in die Schlucht.
Der Himmel und der Schweif
Weit hat das Flugzeug die Flügel gebreitet
und schaut von oben herab auf die Stadt,
unsere Stadt,
die du fotografierst,
durch die ovalen Bullaugen linsend.
Von Bergen umschlossen ist unsere Stadt,
geteilt durch den haarsträhnendünnen Fluss.
Und du schickst dieses Foto als Botschaft zu mir,
die hinter den Bergen und Flüssen verweilt,
um mir zu zeigen,
nichts ändert die Zeit,
du dagegen bist unterwegs.
Den Schweif jedoch,
den das Flugzeug zog,
sieht unser alter Dichter von fern,
über Kakhetiens Himmel gespannt.
Also nimmt er sein Handy zur Hand,
als ließe er eine Taube fliegen,
um Himmel und Schweif auf das Bild zu kriegen,
und schickt es hernach als Botschaft an uns:
„Gut zu wissen, es geht euch gut,
und damit bin ich völlig zufrieden.“
Die Fremde
Von deinem Balkon aus wirst du sehen,
wie der Rabe
die Walnuss herab vom Baumwipfel wirft,
sie ist noch grün und noch nicht reif,
schlägt an den Zaun, doch bricht nicht auf,
und dann rollt er sie auf die Straße,
hin und wieder klopft er drauf,
hüpft und schiebt sie vor sich her,
du wirst es von deinem Balkon aus sehen,
und wenn du dein Zimmer jetzt verlässt,
dann fliegt ein Rabenjunges aus dem Baum herab
und landet auf dem Hoftor,
hockt und zögert,
soll es mir den Weg frei geben
und der rollenden Walnuss folgen
oder soll es warten, bis du auf dem Balkon erscheinst,
denn die Fremde hier, das bin doch ich.
Nachdichtung von Norbert Hummelt